Die Hafen- und ehemalige Kaufmannsstadt Kopenhagen gilt als eine der teuersten und zugleich attraktivsten Metropolen der Welt. In den jährlichen Rankings der lebenswertesten Städte unseres Planeten findet sich Kopenhagen stets unter den Top-10 wieder. Kein Wunder, schließlich prägen zahlreiche Grünflächen, ein hohes Maß an Sauberkeit, das Leben am Wasser und ein umfangreiches Kulturprogramm die dänische Hauptstadt.

Dass dieser Ort aber auch sehr wohl von Hip-Hop beeinflusst ist, erfahre ich nicht erst heute. Neben dem Streetfoodmarkt in Christianshavn habe ich ein Ziel in Dänemark: die Freistadt Christiania, eine alternative Wohnsiedlung mit baufälligen Häusern, Galerien und Veranstaltungsorten für jegliche Form der Musik.

Ein Symbol für freies Denken und Battles mitten in der Menge

Seit 1971 existiert das autonome Viertel in einem ehemaligen Militärgebäudekomplex. Die Bewohner leben nach ihren eigenen Regeln, ganz legal mit Genehmigung der Regierung Dänemarks. Man fühlt die gegenseitige Inspiration, den gegenseitigen Respekt - so wie im Hip-Hop auch.

Tänzer Sune Pejtersen ist gerne dort. „Christiania ist das Symbol freien Denkens in Kopenhagen und besonders für junge Menschen ein echter Magnet. Die Hip-Hop-Kultur ist hier extrem lebendig, man spürt sie förmlich pulsieren“, sagt der Wahl-Kopenhagener Pejtersen.

Bereits bei „Back to Tape“ in 2018 habe ich mit Scotty76 in Stuttgart, B-Boy Delles in Hamburg und der Initiative DeluxeKidz e.V. Beispiele gezeigt, welch eminent wichtigen Part Breakdance für die Kultur Hip-Hop seit vielen Jahren leistet. Genau wie Michael „Mikel“ Rosemann von den „Flying Steps“ fühlt sich Sune Pejtersen auf diesem Terrain am wohlsten. Wenige Meter von Christiania entfernt veranstaltet der gebürtige Flensburger regelmäßig das Breakdance-Festival „Floor Wars“.

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Sune Pejtersen und Niko Hüls (l-r)

Von B-Boys, für B-Boys

Sein erklärtes Ziel: ein großes Event kreieren, dass nicht seinen ursprünglichen Underground-Charakter verliert. Diese besondere Atmosphäre schafft er seit 2005 vor allem dadurch, dass die Battles nicht wie üblich auf einer Bühne stattfinden, sondern auf dem Boden mitten in der Menge. „Diese Nähe ist ganz wichtig bei Floor Wars“, erklärt er. Für Sune Pejtersen ist es zentral, dass seine Veranstaltungsreihe eine bleibt, die von B-Boys für B-Boys gemacht wurde. „Floor Wars“ ist ein Ort des Austauschs und spiegelt damit wider, was diese Kultur bedeuten kann: „Hip-Hop trägt mehr zur Völkerverständigung und Vereinigung bei, als Politiker es jemals könnten“, findet Pejtersen.

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470 Meter beeindruckende Evolution

Großen Einfluss auf das Stadtbild Kopenhagens hat auch Lars Pedersen. Mit der „Evolution Wall“ hat er die dänische Hauptstadt nachhaltig geprägt. Auf 470 Meter Beton prangt eindrucksvoll die Geschichte der Evolution. Vom Urknall bis zur Gegenwart. Als überdimensionales Graffiti. Offiziell beauftragt von der Stadt Kopenhagen, kuratiert von Pedersen.

Die Werke des vom Hip-Hop-Journalisten und seinem Kollegen Peter Skensved gegründeten „Institute of Urban Art“ sind in mehr als 40 Ländern zu sehen. Die Betonwand auf seinem Heimatboden ist aber etwas Besonderes. „Die Stadt Kopenhagen ließ uns zwar genügend Freiheiten, um unsere Interpretation von der Evolution zu gestalten - aber es war schon eine besondere Aktion. Allein die Länge von 470 Metern und die unterschiedlichen Nationalitäten der Künstler waren eine Herausforderung“, berichtet Pedersen.

„Versucht mal sechs sprühende Freigeister aus allen Herren Ländern gleichzeitig zu koordinieren und in einem vorgegebenen Rahmen arbeiten zu lassen.” Doch Lars Pedersen hat über viele Jahre Erfahrungen gesammelt. Heute kuratiert er Graffiti und urbane Kunst beim Roskilde Festival. Das viertägige Open Air Festival auf der Insel Seeland zählt mit bis zu 115.000 Teilnehmern zu den größten Europas.

„Über all die Jahre habe ich ein großes Netzwerk aufgebaut. Es macht mir Spaß, Leute zu treffen, mit ihnen zu reden und sie zusammenzubringen, wenn es Zeit dafür ist”, sagt Pedersen. „Ich bin auch oft nach Deutschland gefahren, habe viele Freunde und Kollegen getroffen - und ja, das alles kommt wieder zurück. Das inspiriert mich.” Genau dieses Gefühl ist es, das ich während meines Roadtrip in ganz Europa immer wieder spüre: Freiheit und Inspiration.

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Back 2 Tape als überdimensionales Graffiti in Kopenhagen

Die Geschichte eines Beats

Ohne Frage, Kopenhagen ist ein überraschendes Mekka für alle Hip-Hop-Interessierten. Meine letzten Gäste in Kopenhagen treffe ich dort, wo sie ihre Karriere begonnen haben. Mitten auf der Straße, ausgestattet mit einem Laptop und der eigenen Kreativität. Und einem ganz besonderen Beat.

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Niko Hüls und das Hip-Hop-Duo „Gebuhr” (l-r)

Die Brüder Mads und Mathias sind Gebuhr. Im Alter von gerade einmal 12 Jahren begann die Hip-Hop-Karriere der Kopenhagener, mit 14 sprudelte der erste tanzbare Sound aus dem Rechner von Produzent Mathias. „Für uns ging es schon immer darum, etwas zu schaffen, was vorher so noch nicht existierte”, erzählt Mads.

2015 folgten dann die ersten Singles, stets geprägt von globalen Einflüssen. Die Songs beinahe amerikanisch durch den tiefen Bass geprägt, der Rap international und so gar nicht typisch europäisch: Irgendwo zwischen frischen College-Hip-Hop Good Vibes und nachdenklich, bewusst in sich gekehrt melancholisch. Ihr Song „Sad Soul” kommt bei Spotify fast auf eine Million Abrufe, der Grundstein der Newcomer ist gelegt.

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Die Brüder Mads und Mathias sind das Hip-Hop-Duo Gebuhr

Für den nächsten Beat reisen Mads und Mathias Gebuhr nach Hollywood, produzieren dort im Hotelzimmer, saugen den Sound Kaliforniens auf, erfinden sich neu. Und sie bringen eben diesen neuen Beat zurück nach Kopenhagen - auf die Straße. In ein europäisches Mekka des Hip-Hops.

Back 2 Tape

2018 hat sich Musikjournalist Niko Hüls in „Back to Tape” auf eine Reise zu den Wurzeln von Hip-Hop in Deutschland begeben. Nun setzt er seinen Roadtrip im Porsche Cayenne S Coupé quer durch Europa fort. Das Porsche Newsroom-Projekt „Back to Tape” beleuchtet in Kooperation mit dem Hip-Hop-Magazin „Backspin.de” kulturelle Prägungen durch die vier zentralen Elemente von Hip-Hop: Rap, DJing, Breakdance und Graffiti. In Teil 3 besucht Niko Hüls Kopenhagen.

Offizielle Playlist von Back 2 Tape

Info

Text: Niko Hüls
Fotos: Markus Schwer

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