Barcelona zählt dank seiner Lage am Mittelmeer und den über die Grenzen bekannten architektonischen Bauwerken zu den beliebtesten Reisezielen Europas. Sehenswürdigkeiten wie La Sagrada Família oder Gaudís Casa Batlló locken die Touristen, doch die Hauptstadt Kataloniens hat auch eine andere Seite.

Rap von der Straße, Beats gegen häusliche Gewalt

„Willkommen in unserem schmutzigen Keller“, begrüßt mich El Santo am Placa Le Termes. Falsalarma, bestehend aus den MCs David & Ángel Navarro Romero (aka El Santo & Titó), DJ Neas und Dycache Santiago, stammen aus Sabadell, einer Industriestadt nordwestlich von Barcelona. Die vier Künstler haben eine tiefe Verbindung zu diesem Ort. Und das nicht nur, weil ihr erstes Studio ein Stockwerk unter der Erde, im Keller, liegt.

„Hier entstanden unsere ersten Tracks. “Alquimia” haben wir hier 2005 aufgenommen - unser zweites Album, das kurze Zeit später durch die Decke ging.“ Die Songs der Spanier befassen sich unter anderem mit dem Widerstand gegen häusliche Gewalt. Ein Thema, das insbesondere in ihrem Viertel weit verbreitet war.

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Unterschiedliche Wege, ein gemeinsames Ziel

So deutlich sich die vier Hip-Hopper heute als Falsalarma definieren, so unterschiedlich zeichneten sich ihre Wege ab. „Wir haben uns einfach in allem ausprobiert und haben unser Profil geschärft. Sei es mit Battles im Taggen, Skaten oder Breakdance. Ich fing dann irgendwann an zu texten und zu reimen und schob dazwischen das Scratchen einiger Platten ein. Dann wieder texten. So wie ein Baby anfängt zu laufen“, erzählt Titó. „Freunde, die zufällig mithörten, flippten aus vor Freude. Irgendwann sagten alle, ‚Mann, das musst du hauptberuflich machen - das geht voll ab'”, blickt Titó zurück.

Rap-Crew Falsalarma, Roadtrip Back2Tape, Barcelona, 2020, Porsche AG
Die Rap-Crew Falsalarma

Sein Crew-Mitglied DJ Neas hingegen erinnert sich noch gut daran, wie er den Breakdance für sich entdeckte: „Das war im Grundschulalter. 1993 ungefähr. Irgendwo bauten ein paar Jungs dann einen rechteckigen Parcours aus Parkett auf, schmissen den Kassettenrekorder an und fingen an zu tanzen. Das packt mich bis heute.” Klar ist für alle: Egal ob Breakdance, Taggen oder Graffiti, jede Form für sich ist ein Dialog mit der Straße. Ein Dialog, bei dem es egal ist, woher du kommst. Hauptsache, du machst es mit genug Leidenschaft.

Auch mein zweiter Gast hat diese Leidenschaft: El Xupet Negre.

Ein schwarzer Schnuller als Markenzeichen

Der schwarze Schnuller gehört zu Barcelona wie Lionel Messi zum grünen Rasen des Camp Nou. Zumindest für alle, die mit offenen Augen durch die Straßen der spanischen Küstenstadt flanieren und sich für Graffiti und urbane Kunst begeistern können. 1987 tauchte das Symbol erstmals auf, entworfen vom studierten Grafik-Designer El Xupet Negre.

Niko Hüls, El Xupet Negre, l-r, Roadtrip Back2Tape, Barcelona, 2020, Porsche AG
Graffiti-Künstler El Xupet Negre zählt zu den 50 einflussreichsten Street Artists der Welt

Lange bevor Hip-Hop als Jugendkultur in Spanien einen relevanten Pulsschlag besaß, war der spanische Künstler mit Filzmarker und Sprühdose unterwegs. Wie er heute selbst sagt als Punk, nicht als Künstler. „Es war damals nicht einfach, ein gewisses Maß an Kunst auszuleben. Das Meiste, was irgendwie anders war, wurde verboten.” Bereits in jungen Jahren begeisterte sich der Graffiti-Pionier für die Malkunst. Bekannte, die seine Zeichnungen bewunderten, rieten ihm ein eigenes Logo zu entwickeln. Als er dann zum ersten Mal den schwarzen Schnuller malte, wurde er sogleich von der Guardia Civil erwischt: „Die Stadt griff damals knallhart durch und verteilte Strafzettel.” Heute zählt El Xupet Negre zu den 50 einflussreichsten Street Artists der Welt, in seinem eigenen Shop verkauft er Badenazüge, Hoodies, Caps, T-Shirts, aber auch Arbeiten aus Holz - und malt im Auftrag der Regierung.

Niko Hüls, El Xupet Negre, l-r, Roadtrip Back2Tape, Barcelona, 2020, Porsche AG

Zwölf Kilometer Beton als Freiheit für Graffiti

Mit den Parlamentswahlen 2012 in Katalonien änderte sich die Situation für die freie Straßenkunst in Barcelona. Ein Stück Autonomie kam zurück. El Xupet Negre ließ sich von Familie, Kunstgeschichte, Grafikdesign, Markenlogos, Straßenschilder und Pop-Art inspirieren und bemalt Wände, die ihm die Stadt Barcelona offiziell zur Verfügung stellt. „Früher waren es in Barcelona vielleicht 2.000 Graffiti-Künstler, heute sind wir fast 20.000“, so Xupet. „Auf einer eigens eingerichteten Website kann sich jeder Sprayer registrieren und ein Stück Wand reservieren.” Insgesamt stellt die Stadt eine Länge von mehr als zwölf Kilometern zum Ausprobieren und Austoben jeder Form von Graffiti zur Verfügung.

Für “Back 2 Tape” stellt El Xupet Negre sogar ein freies Stück Betonwand zur Verfügung. Inmitten der renommierten Wohngegend El Poble-Sec liegt ein Stück Freiheit für die Jugendlichen der Stadt: Ein Skater und Graffiti-Paradies, auf dem nun neben dem berühmten schwarzen Schnuller von El Xupet Negre ein eigens kreierter Back 2 Tape-Schriftzug prangt.  Als Xupet die Spraydose aus der Hand legt und in den sonnigen spanischen Himmel schaut, sagt er: „Weißt du, Niko - der heutige Mozart würde nicht auf einem Klavier spielen, sondern Vinyl scratchen. Und Leonardo da Vinci würde nicht auf normaler Leinwand malen, sondern auf Leinwände aus Beton.“

Roadtrip Back2Tape, Barcelona, 2020, Porsche AG

Back 2 Tape

2018 hat sich Musikjournalist Niko Hüls in „Back to Tape“ auf eine Reise zu den Wurzeln von Hip-Hop in Deutschland begeben. Nun setzt er seinen Roadtrip im Porsche Cayenne S Coupé quer durch Europa fort. Das Porsche Newsroom-Projekt „Back to Tape” beleuchtet in Kooperation mit dem Hip-Hop-Magazin „Backspin.de” kulturelle Prägungen durch die vier zentralen Elemente von Hip-Hop: Rap, DJing, Breakdance und Graffiti. In Teil 5 besucht Niko Hüls Barcelona.

Offizielle Playlist von Back 2 Tape

Hinweis

Nikos Roadtrip durch Europa wurde vor Ausbruch des Coronavirus produziert. Porsche, Backspin sowie die involvierten Künstler sind sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und raten zum derzeitigen Zeitpunkt aus Rücksicht auf die Gesundheit und das Wohlergehen aller Menschen von einer derartigen Reise ab.

Info

Text: Niko Hüls
Fotos: Markus Schwer

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