Jede Innovation erreicht irgendwann den Wendepunkt. 1912 startet der Siegeszug der Autos mit Verbrennungsmotor, nachdem Charles Kettering, ein Lehrer aus dem US-Bundesstaat Ohio, einen elektrischen Anlasser eingebaut und damit die lästige Starterkurbel ersetzt hat. Die Erfindung entscheidet damals das Kopf-an-Kopf-Rennen gegen die Elektroautos abrupt. Doch ausgerechnet die einst ausgemusterte Technik meldet sich jetzt zurück. Stärker denn je, ausgereift wie nie und für viele die sauberste Lösung für die Mobilität von morgen. Plötzlich stehen alle unter Strom. Nicht nur die etablierten Automobilhersteller sind elektrisiert, neue Mitspieler wie Computerhersteller oder Softwaregiganten betreten das Spielfeld. Doch noch warten alle auf den entscheidenden Durchbruch, die Initialzündung. Der Meilenstein, der dafür sorgt, dass sich aus dem Hype und dem Traum eine große Revolution entwickelt. Der Taycan könnte dabei eine wichtige Rolle spielen. Der erste rein elektrisch angetriebene Sportwagen von Porsche führt die Entwicklung von Elektrofahrzeugen auf dem Weg in ein neues Zeitalter an. Die drei Beispiele von Teuta Demaili, Otmar Bitsche und Alexander Pollich auf den Folgeseiten zeigen, wie Porsche die Weichen dafür stellt.

Die Elektromobilität hat schon heute viele Gesichter: Eisenbahn, U-Bahn, Straßenbahn, Car-Sharing-Angebote, eBikes und eScooter prägen die Straßen, vor allem in den Städten. Für die persönliche Mobilität bleibt das Auto vorerst unersetzbar. 2018 wurden weltweit mehr als drei Millionen Elektrofahrzeuge zugelassen. Während es in Deutschland „nur“ 36.062 waren, wurde in den USA die Eine-Million-Marke geknackt. Und der Bedarf an Autos nimmt weltweit weiter zu. In der Europäischen Union betrug der Personenverkehr im Jahr 2010 bereits gigantische 6,5 Billionen Personenkilometer pro Jahr. Bis 2030 wird ein Anstieg um bis zu 30 Prozent erwartet. Rund ein Viertel dieser Mobilitätsleistung geht heute und auch in den nächsten zwei Jahrzehnten auf das Auto zurück. Eine Milliarde Fahrzeuge weltweit auf den Straßen sind also noch lange nicht genug. Die Antriebstechnologie wird nicht zum alleinigen Knackpunkt: Ladeinfrastruktur, Batteriekapazität und Gewichtsreduzierung, innovative Parkmodelle, kreative Service­angebote und zunehmende Vernetzung bis hin zum autonomen Fahren sind Megatrends mit dem Ziel, dass die Menschen die Art der gewünschten Mobilität situativ wählen können. Gute Fahrt!

Der Routinier

Otmar Bitsche, Leiter Entwicklung Elektrik, Elektronik, Elektromobilität

Otmar Bitsche, Leiter Entwicklung Elektrik, Elektronik, Elektromobilität

Wer behauptet, Otmar Bitsche macht heute nichts anderes als mit sechs Jahren, liegt in diesem Moment gar nicht so falsch. Der 62-Jährige drückt den Starter. Der Elektromotor reagiert in Millisekunden. Das Drehmoment von null weg sorgt für perfekte Beschleunigung vor dem Looping und dosierte Kraft vor der Schikane. Der Mann, bei dem alle Entwicklungsaktivitäten rund um das Megathema Elektromobilität bei Porsche zusammenlaufen, steht strahlend vor der Carrera-Bahn. „Ja, das ist ein gutes Beispiel, das zeigt, was diese Antriebstechnologie ausmacht“, erzählt Bitsche, der schon 1990 mit dem Fiat Panda ein Elektroauto auf die Straße gebracht hat. Auf die Frage, ob der studierte Elektrotechniker vor der aktuell vielleicht größten Aufgabe steht, die es als Ingenieur im Automobilbereich gibt, nickt er bescheiden. „Ja schon, das Schöne bei Porsche ist, dass man immer das Gefühl hat, man steuert nicht nur ein Teil bei, sondern ist Bestandteil einer Gesamtstrategie“, sagt Bitsche.

Mit der Entscheidung für die Elektromobilität habe Porsche den Grundstein für eine komplett neue Firmenstrategie gelegt. Ende dieses Jahres kommt der Taycan auf den Markt. Ein Leuchtturmprojekt. Neben der Reichweite sei es immer ein wichtiges Ziel gewesen, die Begeisterung der Kunden für einen rein elektrisch betriebenen Sportwagen zu entfachen. „Laden wie tanken“, erzählt Bitsche, „war ein wichtiges Vorhaben. Das haben wir erreicht. In fünf Minuten kann der Taycan für bis zu 100 Kilometer nachladen.“ Erreicht wird dies durch eine Erhöhung der Spannung auf 800 Volt. Neuland. Neugierig, ob das geht, sind viele. Es geht. Und wie! Beim induktiven Laden müssen dagegen noch Hürden überwunden werden. „Das wird oft unterschätzt. Das ist extrem komplex“, weiß Bitsche und drückt den Regler durch: Vollgas. Das gilt weiterhin auch für die Entwicklung der Elektromobilität bei Porsche.

Die Einsteigerin

Teuta Demaili, Prozessplanerin

Teuta Demaili, Prozessplanerin

Manchmal verhindert die Detailarbeit den Blick auf das Ergebnis. Daher genießt Teuta Demaili das Fotoshooting mitten in der Produktion, die sie maßgeblich mitgeplant hat. Denn dabei hat sie das Foto des Taycan an der Wand immer vor Augen. Wenn sie möchte, kann sie den ersten rein elektrisch angetriebenen Porsche jederzeit auch im Original bewundern – wenn er an Station 94 vom Band läuft. „Als Berufseinsteigerin an so einem Projekt mitzuarbeiten, ist ein Privileg“, sagt die 26-Jährige, die vor eineinhalb Jahren als Prozessplanerin bei Porsche anfing. Zuvor hatte sie bereits als Praktikantin, Werkstudentin und Bachelorandin Erfahrungen gesammelt. „Dieser Job macht unheimlich Spaß. Ich lerne unfassbar viel“, erzählt Teuta. Die größte Leistung sei es gewesen, dieses Projekt überhaupt in der kurzen Zeit in Zuffenhausen umzusetzen. Vor gut einem Jahr war das Montagegebäude noch reiner Rohbau, als der Anlagenaufbau begann. Ende 2018 wurde bereits das erste Fahrzeug dort komplett gefertigt.

Inzwischen sitzt in der Taycan-Produktion jeder Handgriff, die Werkzeuge sind optimiert und die Logistik läuft. Es gab Zeiten während der Vorserienfertigung, da hätte Teuta fast jeden Schritt selbst ausführen können. „Durch die veränderte Produktsubstanz haben wir eine andere Verbaureihenfolge als bei den Sportwagen, ein komplexes Kühlsystem und erstmals in Zuffenhausen ein Hochvoltsystem“, sagt sie. Innerhalb von fünf Monaten wurde die Montage aufgebaut, dabei 1.000 Tonnen Stahl verbaut, 48 Schwerlastgehänge und 15 Hub-Drehgehänge installiert – und immer wieder innovative Lösungen gefunden. 68 fahrerlose Transportsysteme für die Fahrzeuge ermöglichen zum Beispiel große Flexibilität. Drei vollautomatisierte Stationen wurden entwickelt, darunter auch die Hochzeit, also die Verbindung des Antriebsstrangs mit der Karosserie. „Ich bin hier manchmal auch eine Art Hausmeister, der sich darum kümmert, dass alles läuft“, schmunzelt Teuta. Am Ende zählt das Ergebnis. Und das möchte sie demnächst unbedingt auch mal selbst fahren.

Der Stratege

Alexander Pollich, CEO Porsche Deutschland GmbH

Alexander Pollich, CEO Porsche Deutschland GmbH

Das richtige Auto zu fahren, ist für viele Menschen Ausdruck eines Lebensgefühls. Das weiß niemand besser als Alexander Pollich. Denn der CEO der Porsche Deutschland GmbH unterstützt mit seinem Team die 88 Porsche Zentren im Land. Und die haben das Ohr ganz nah am Kunden. Hier werden Eigenschaften wie Performance und Passion in Serie verkauft. Aber jetzt kommt mit dem Taycan der erste rein elektrisch angetriebene Sportwagen und verändert alles. Oder doch nicht? „Natürlich ändert sich einiges, denn  der Taycan steht für ein neues Fahrzeugkonzept“, sagt Pollich. „Wir richten unser Produktportfolio aber konsequent an den Wünschen unserer Kunden aus. Daher ist die Vorfreude riesengroß – bei Kunden, Fans und bei uns.“ Mehr als 20.000 Kaufinteressenten weltweit für den Taycan sprächen für sich, so Pollich, der eine Prognose wagt: Bis 2025 könnten mehr als 50 Prozent der gesamten Porsche-Produktpalette elektrisch oder teilelektrisch als Hybridfahrzeug verkauft werden.

Die Herausforderungen für die Handelsorganisation sind enorm. Denn die Einführung des Taycan bedeutet nicht nur eine neue Baureihe, sondern einen Strategiewechsel für das ganze Unternehmen. Ob die Elektromobilität erfolgreich ist, hängt von Leistung, Fahrvergnügen und Design, aber auch von der Ladezeit und der dadurch ermöglichten Reichweite ab. Die Mitarbeiter im Handel müssen geschult werden. Bei allen Maßnahmen denkt Porsche ganzheitlich und bringt nicht nur einen Elektrosportwagen auf den Markt, sondern kümmert sich mit Partnern auch um die dafür erforderliche Ladeinfrastruktur und notwendige Schulungen für die Mannschaft. In den Porsche Zentren entstehen umfangreiche Schnelllademöglichkeiten. Um die Ladezeit angenehm zu gestalten, verwandeln sich die Porsche Zentren im Zuge der neuen Corporate Architecture „Destination Porsche“ zu attraktiven Treffpunkten für die Community. An europäischen Autobahnen entsteht im Rahmen des IONITY-Joint-Ventures ein Netz an Schnellladesäulen. Und mit dem Technologieunternehmen „The Mobility House“ hilft Porsche bei der Umsetzung von Ladeoptionen in der heimischen Garage. Porsche elektrisiert. Eigentlich bleibt also alles so wie immer.

Texte Michael Thiem

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