Nur Mut

Für den Einstieg in den Motorsport gibt es keine Gebrauchsanweisung. Kart ist eine Möglichkeit. Porsche Racing Experience eine andere.

  

Hier den Artikel anhören
  • Nur Mut

Mit Mut beginnen viele Geschichten. Oder mit Regen. Oder mit beidem, so wie heute auf der südfranzösischen Rennstrecke Circuit Paul Ricard, knapp 50 Kilometer östlich von Marseille. Janine Lissautzki hebt das Funkgerät, drückt die Sprechtaste. Es klackt. 65 Mitarbeiter an Strecke und Boxen lauschen aufmerksam. Die 33-Jährige ist Projektleiterin bei Manthey-Racing für die Porsche Racing Experience, einem exklusiven Fahrprogramm, das professionelle Trainings und Full-Service-Betreuung in drei aufeinander folgenden Leistungsstufen beinhaltet.

Konzentration:

Konzentration:

Vor der Fahrt spricht Kevin Woods nicht viel, zu sehr ist er in Gedanken schon auf der Strecke.
Letzter Check:

Letzter Check:

Der Motor läuft. Woods bestätigt mit einer Daumen-hoch-Geste, dass er bereit ist, auf die Strecke zu fahren. Noch schnell das Sicherheitsnetz schließen und es kann losgehen.
Vorbereitung:

Vorbereitung:

Im theoretischen Teil des Programms zeichnen die Teilnehmer mit den Instrukteuren ihre Ideallinie, Bremspunkte und den jeweiligen Gang auf das Streckenlayout.
Startaufstellung:

Startaufstellung:

In drei Minuten geht es los mit der ersten Runde hinter dem Safety Car. Anschließend folgt der simulierte Start.
Profiblick:

Profiblick:

Markenbotschafter Mark Webber analysiert mit den Teilnehmern die ausgewerteten Daten. Die Referenzrunden der Instrukteure werden am Bildschirm mit denen der Teilnehmer verglichen.

Schon vor mehr als vier Monaten haben Lissautzki und ihr Team mit den Planungen für den Einsteigerkurs Level 1 begonnen, haben Instrukteure, Physiotherapeuten und einen Mentalcoach gebucht, die Anlieferung von 21 Porsche 911 GT3 Cup koordiniert. Viel Aufwand, viel Herzblut – und nun der Regen. Den kann jetzt niemand brauchen an diesem ersten Praxistag, schon gar nicht die 16 Teilnehmer, die gespannt auf ihren Einsatz warten. Sie kommen aus Deutschland, Dubai, Frankreich, Irland, Japan, Luxemburg, Norwegen, Ungarn und den USA – und sie haben Großes vor. In nur fünf Tagen wollen sie die Grundzüge des Rennfahrens in Theorie und Praxis erlernen.


Lissautzki steht in der Boxengasse: strahlend blaue Augen, nasse blonde Haare, starke Stimme: „Strecke durch die Rennleitung freigegeben. Grüne Ampel in drei Minuten.“ Es hat aufgehört zu regnen. Der Asphalt ist schon fast wieder trocken, nur in den kleinen Senken der Boxengasse steht noch ein wenig Wasser. Dunkelblauschwarz zieht die Wolkenformation weiter, öffnet ein Stück Himmel. Blick rüber zu den Schülern. Die Projektleiterin zaubert ein Lächeln herbei. Alles unter Kontrolle.

Intensivkurs mit viel Fahrpraxis

Die Teilnehmer sind bereit. Auch Kevin Woods. Der 47-Jährige kommt aus San Francisco, hat viele Jahre bei Google als Netzwerkingenieur gearbeitet. Sein Helm panzert seine Anspannung, aber seine Augen verraten konzentrierte Nervosität. Stimmen und Motoren vermischen sich, Instrukteure, Mechaniker, Helfer beugen sich in die Cup-Autos, wischen die Sohlen der Rennschuhe trocken, zurren die Gurte fest. Woods hebt den Daumen. Sein Instrukteur Felipe Fernández Laser befestigt das äußere Sicherheitsnetz vorne am Fahrzeugkäfig. Im schlimmsten Fall soll es den Fahrer davor bewahren, samt Sitz aus dem Auto geschleudert zu werden. Das haben sie schon zu Beginn gelernt, denn Tag 1 ist der Theorie vorbehalten: Einführung in die Fahrzeugtechnik.

Woods, ganz in sich gekehrt, spricht nicht mehr. Zu sehr konzentriert er sich auf die vor ihm liegende 5.842-Meter-Strecke in Le Castellet, fährt sie in Gedanken noch einmal ab, im Uhrzeigersinn, die Hände fest am Lenkrad. Besonders die Signes-Kurve am Ende der langen Geraden Mistral Straight beschäftigt ihn. Signes: eine leichte Rechtskurve, benannt nach dem damaligen Wohnort des Streckenbauers Paul Ricard, ist das, was Rennfahrer eine Mutkurve nennen. Gas stehen lassen oder kurz den Fuß lupfen? Das muss jeder selbst entscheiden. Möglich ist es – wenn man es kann. Im Cup-Fahrzeug wird sie kurz angebremst.

Talentscouting aus Prinzip

Ohne Umwege:

Ohne Umwege:

„Das ist die ideale Möglichkeit, um zielgerichtet und sicher angeleitet in den Motorsport einzusteigen“, sagt Projektleiter Frederic Klein.

Mit der Track Experience bietet Porsche seit Jahren Rennstreckentrainings an. Die Porsche Racing Experience gibt es zusätzlich seit Herbst 2017 – „die ideale Möglichkeit, um zielgerichtet und sicher angeleitet in den Motorsport einzusteigen“, sagt Frederic Klein, der sich die Projektleitung der Porsche Racing Experience mit Paul Gregor teilt. Die gezielte Sichtung und Förderung von Motorsporttalenten, auch unter Porsche-Kunden, ist ein Prinzip des Stuttgarter Sportwagenherstellers. Es hat Weltmeister und Le-Mans-Sieger hervorgebracht. Talent ist das eine. Wille, Arbeit und Ausdauer sind das andere. Die Porsche Racing Experience will im Level 1 Hobbyfahrer auf ihre erste Rennsaison vorbereiten, unter anderem mit dem Erwerb der internationalen D-Rennlizenz. Trackwalk, Physiotherapie, Mentalcoaching und Fahrzeugtechnikunterricht, Safety-Car-Training, Überholmanöver, intensive Datenanalyse nach jeder Session sowie die Simulation eines Abschlussrennens gehören dazu.

Besonders talentierte Kandidaten geben auf Level 2 ihr nationales Renndebüt, zum Beispiel im Porsche Sports Cup oder in der Porsche GT3 Cup Challenge. Nicht jeder schafft das. Wer sich dafür qualifiziert, entscheidet das Team der Racing Experience. Auf Level 3 schließlich bietet Porsche eine allumfassende Betreuung und Beratung für den Einstieg in nationale oder internationale Rennserien wie Porsche Carrera Cup oder Porsche Mobil 1 Supercup.

Warum er hier sei? „Ich will meine fahrerischen Qualitäten immer weiter verbessern“, sagt Woods nach ein paar Runden hinter dem Porsche seines Instrukteurs. Er war früher viel im Kart unterwegs. Bald will er Level 2 bestreiten, eine ganze Rennsaison, beispielsweise in Deutschland. Doch am liebsten fährt er Rennen in den USA, verbringt dort viel Zeit mit seiner Familie, die er jetzt für eine Woche eingetauscht hat gegen seine Porsche-Familie. Diese besteht unter anderem aus Felipe Laser, zertifizierter Instrukteur der Racing Experience, Ex-Werksfahrer und Porsche Junior Coach Sascha Maassen und dem österreichischen Ex-Formel-1-Pilot Christian Klien, ebenfalls zertifizierter Porsche-Instrukteur.

„So ein Coaching-Level gibt es nirgendwo anders.“ Kevin Woods, Teilnehmer

Woods kennt viele Kollegen aus dem Teilnehmerfeld, zum Beispiel den Japaner Shintaro Akatsu, Geschäftsmann mit drei Wohnsitzen, einer davon in Tokio. Wie Woods absolviert der 56-Jährige zum zweiten Mal Level 1, freiwillig. „Das Programm ist sehr intensiv und sehr komprimiert“, sagt er. „Wenn man wie ich wenig Zeit hat, gibt es keinen besseren Weg, die Grenzen eines Rennfahrzeugs kennenzulernen.“ Akatsu hat Rennstreckenerfahrung. Das Gefühl für das Fahrzeug nimmt er jedes Mal mit auf die Straße, zu Hause unter anderem in einem Porsche 918 Spyder.

Chefingenieur Felix Stiller greift sein Laptop vom Autodach und läuft zurück in das Rennstreckenbüro. Dort wertet er in Sekunden die Daten der Rennwagen aus: Wassertemperatur, Öldruck, Bremsdruckverlauf. „Die Racing Experience ist der beste Weg, um sich vom Hobby- zum Rennfahrer ausbilden zu lassen“, sagt der 28-Jährige. Er verbringt die meisten Wochenenden des Jahres auf den Rennstrecken dieser Welt. Laser sitzt neben ihm vor vier Monitoren, legt seine eigene Referenzrunde über die von Woods. An echten Beispielen aus der Praxis lernen die Teilnehmer am meisten. „Kevin hat Erfahrung im Cup-Auto und eine super Pace“, lobt Laser. „Er spürt das Auto sehr gut.“ Aber heute fehlt ihm ein bisschen zur Perfektion. „Etwas langsamer rein in die Kurve, dafür schneller raus. Und so wenig wie möglich lenken“, rät Laser seinem Schüler. Woods weiß das. Und nickt.

Verzögerung:

Verzögerung:

Das richtige Bremsen lernen die Teilnehmer gleich zu Beginn des Trainings.

Virtuelle Vorbereitung

Man kann den Mythos Porsche schwer in Worte fassen – aber man kann versuchen, ihn zu erleben. Die meisten Racing-Experience-Teilnehmer haben zuvor bereits in einem Cup-Fahrzeug gesessen, beispielsweise im Rahmen der Porsche Track Experience in einem 911 GT3 Cup. Trotzdem hilft ihnen die VR-Brille, die ihnen das Team vorab geschickt hat, sich das komplexe Cockpit des Leichtbaueinsitzers mithilfe virtueller Realität vor Augen zu führen.

Mark Webber kommt. Der frühere Formel-1-Star, Langstreckenweltmeister und heutige Porsche-Markenbotschafter führt Karrieregespräche mit den Teilnehmern. Woods freut sich darauf. „Er ist ein Vorbild. Er hat fast alles erreicht im Rennsport. Ich vertraue ihm zu 100 Prozent.“ Er wird Webber seine Ziele verraten, doch vor allem: Er wird ihm zuhören.

Es ist Freitagnachmittag, Tag fünf, 14,8 Grad Celsius. Die Auslaufzonen, durchzogen von schwarzen Reifenspuren, leuchten blau und rot. Gemeinsam mit den rot-weiß-lackierten Randsteinen entsteht eine eigenwillige Harmonie. Eine ganz besondere Asphaltdeckschicht mit unterschiedlich hohen Reibwerten wird die Fahrzeuge im Fall eines Fahrfehlers abbremsen. Das macht den Circuit Paul Ricard zu einer der sichersten Rennstrecken Europas.

Jetzt ist der Moment da, auf den Woods und die 15 anderen Teilnehmer hingearbeitet haben. Die Mutkurve wartet. Das Rennen beginnt.

Porsche Racing Experience

Wer das Rennfahren in einem Porsche 911 GT3 Cup von der Pike auf lernen möchte, für den gibt es das Programm Porsche Racing Experience. Angeboten werden drei Level, die aufeinander aufbauen. Nächste Einstiegsmöglichkeit: Level 1 in Portimão, Portugal, 22. bis 27. November 2019. Weitere Informationen zu diesem Training mit Rundumbetreuung erhalten Sie unter:
www.porsche.de/racing-experience

Christina Rahmes
Christina Rahmes